Kolumne auf theonliner.ch («The Onliner», die Schweizer Finanzplatz-Plattform)
Lektion 1: No Nonsense
Englisch macht sich breit. Das ist gut so – und Ausdruck der Kraft und Macht einer durchsetzungsstarken, reichen, wendigen, coolen, smarten, schönen und schnellen Sprache. Eine Sprache, die Menschen über alle Grenzen hinweg verbindet.
Den Feldzug des ursprünglich nordgermanischen Idioms beschreibt Melvin Bragg in seiner Sprachbiografie «The Adventure of English» (2003) als bisweilen barbarisch, sich ermächtigend, nicht frei von Kollateralschäden. Inspiriert von den ersten germanischen Stämmen, die im fünften Jahrhundert die britische Insel invadierten und dem Englischen das Territorium ebneten, schreibt er: «English arriving on the scene like a fury from hell, brought to the soft shores of an abandoned imperial outpost by fearless pagan fighting men, riding along the whale’s way on their wave-steeds.»
Das heisst nicht, dass wir gleich kapitulieren und das klare, präzise, kombinationstalentierte, elegante Deutsch shorten müssen. Mit ein paar Grundregeln in Rechtschreibung bewältigen wir die Integration mit Haltung – und wenn wir dann doch kapituliueren wollen, ist eine «sophisticated transition of power» vorbereitet.
Lektion 1: No nonsense. «Unsere Philosophy» las ich kürzlich als Einstieg in eine Website. Abgesehen davon, dass das Wort Philosophy, englisch oder deutsch, angesichts des nachfolgenden Textes etwas hochgegriffen war – warum englisch? Ökonomischer, verdichteter (das wahre Sprachgütesiegel!), könnte man argumentieren, ein Buchstabe weniger auf dem Balance-Sheet. Das etwas manierierte y mit Unterlänge würd ich allerdings unter eineinhalb Buchstaben abbuchen. Und auch das macht das «ie» mit seiner schlanken Geschmeidigkeit wett. Aber so abwegig wie dieses Rechenspiel, so offensichtlich ist es, dass der Anglizismus im erwähnten Beispiel unsinnig und unnötig ist. Obwohl: Sinnig und nötig kann Nonsense durchaus sein, nur ist das anspruchsvoll – er muss dann stringent gedacht und geradlinig (engl.: «no-nonsense») daherkommen.
Gegen englische Wörter im deutschen Text ist natürlich nichts einzuwenden, aber es muss schon Gründe geben – auch wenns nur die Cool Vibes sind, die das Englische liefert. Grundlos dürfen wir die deutsche Sprache nicht aufgeben. Die (grosse deutsche) Philosophie schon gar nicht.
PS: «Nonsense» schreibe hier in der Originalschreibweise. Das Wort ist aber bereits eingedeutscht und hat einen Duden-Eintrag, deutsch transkribiert ohne -e: der Nonsens. Weil ich aber auch das Adjektiv «no-nonsense» brauche, habe ich der Konsistenz zuliebe Englisch gewählt.
Lektion 2: Freundliche M&A
Anglizismen und überhaupt Fremdsprachiges kann man auf zwei Arten im deutschen Text unterbringen: Entweder man übernimmt ein Wort unverändert – der Merger –, oder man betrachtet den Ausdruck als gut verständlich und behandelt ihn nach den Regeln des Deutschen – die Akquisition. Die Grenze ist fliessend.
Der Merger: Übernahme des Originals Nicht geläufige fremdsprachige Ausdrücke und Zitate werden in Originalschreibweise übernommen, angeführt (oder kursiv gesetzt) und wenn nötig übersetzt.
– Sie nennt den Mix «strategy and serendipity» (Strategie und Glück). – Das sei ein Mix aus Strategie und Glück (engl. strategy and serendipity).
Die Akquisition: Integration ins Deutsche Ausdrücke, die geläufig und im Deutschen etabliert sind (mit oder ohne Dudeneintrag), schreibt und flektiert man grundsätzlich wie deutsche Ausdrücke.
Gross-/Kleinschreibung Nomen sowie das Adjektiv in einer Fügung aus Adjektiv und Nomen grossschreiben, mehrteilige Nomen koppeln. – das Investment, das Angel-Investment – das Private Equity, die Private-Equity-Firma (mit weiterem Nomen durchkoppeln!)
Flexion Mit Genitiv-s und Plural-s flektieren. – des Investments – die/der/den Investments
Manchmal ist das Genitiv-s in Fügungen aus Adjektiv und Nomen laut Duden fakultativ, manchmal nicht – also am einfachsten generell setzen. – des Private Equity(s), die Private Equitys
Auch Nomen auf -y werden im Deutschen mit Plural-s, nicht wie im Englischen auf -ies, gebildet. Ausnahme: Nomen in mehrteiligen Fügungen. – der Whiskey, die Whiskys – die Grand Old Whiskies
Bei Wortauslaut auf -ch können Genitiv und Plural auch auf -es lauten, in mehrteiligen Fügungen nur so. – des Coachs, die Coachs (auch: des Coaches, die Coaches) – die Smart Watches
Bei Nomen auf -er empfiehlt der Duden den Plural auf -s nur teilweise. Also am besten generell endungslos respektive nur mit Dativ-n flektieren. – die Influencer, den Influencern – die Sneaker, den Sneakern
Und ein «no-brainer»: Bei Nomen auf s-Auslaut entfällt wie bei anderen Fremdwörtern das Genitiv-s, der Plural lautet wie im Englischen: -es. – des Cyberspace, die Cyberspaces
Merken muss man sich eigentlich nur etwas (und zwei Ausnahmen)
Die Regel Etablierte englische Nomen sowie Fügungen aus Adjektiv und Nomen schreibt man gross und flektiert sie mit Genitiv-s und Plural-s (in allen Kasus).
Ausnahme 1 Nomen auf -y oder -ch in mehrteiligen englischen Fügungen nach Englischregeln: – die Grand Old Whiskies – die Team-Coaches
Ausnahme 2 Nomen auf -er im Plural am besten generell endungslos respektive mit Dativ-n: – die Leader – die Sneaker
Happy M&A!
PS: Schottischer Whisky ohne e, irischer und amerikanischer mit: der Whiskey, die Whiskeys, die Grand Old Whiskeys. Ich merks mir so: schottisch ohne e.
Wie gesagt: Integriert man englische Wörter nahtlos im deutschen Text, betrachtet sie also als eingedeutscht und setzt sie nicht in Originalschreibweise und Anführung ab, so gelten die Regeln des Deutschen. Vor allem eine wird schwer verletzt: Ein Ding – ein Wort.
Ein Ding – ein Wort Das Deutsche liebt Komposita – das längste im Duden-Korpus besteht aus acht Nomen.* Grundsätzlich wird zusammengeschrieben: der Zentralbankenstrategiehorizont. Längere können zur besseren Lesbarkeit gekoppelt werden: Zentralbanken-Strategiehorizont. Ganz im Gegensatz zum Englischen, das Wörter unverbunden aneinanderreiht: «stock screener». Eher selten und erst bei klarer Etablierung als Gesamtbegriff wird zusammengeschrieben: So wurde aus «birth rate» (BrE) «birthrate» (AmE).
Engl. Nomen + engl. Nomen: generell mit Bindestrich koppeln Wird ein «open compound» ins Deutsche integriert, dann gelten Gross- und Zusammenschreibung, am besten generell mit Bindestrich: der Stock-Screener. Viele finden das uncool und schreiben zwar gross (als wärs deutsch), aber ungekoppelt (als wärs englisch): der Stock Screener. Kommt ein deutscher Begriff hinzu, schreiben sie – immerhin konsequent: der Stock Screener Vergleich. Das tut zwar weh, breitet sich aber aus – auch im Deutschen. Kürzlich gelesen: ein Winter Märchen. Viele Gestalter empfinden Binde- oder Trennstriche überdies als ästhetisch nicht korrekt, vor allem gegenüber einem makellos kompakten Grauraum (sprich Text). Ich finde Können immer cool – und schön.
Engl. Nomen + engl. Nomen, als Gesamtbegriff etabliert: zusammen, ohne Bindestrich Ist eine englische Fügung voll integriert, gilt nur noch Zusammenschreibung: Roadtrip, Pokerface. Manchmal erlaubt der Duden beides, es liegt dann im Ermessen des Schreibenden und am Kontext, wie etabliert die Fügung ist. So gilt Dream-Team wie auch Dreamteam – aber nur Teamleader. Lieber einfach konsequent koppeln: Team-Leader.
Engl. Nomen + dt. Nomen: zusammen Komposita aus englischem und deutschem Nomen schreibt man grundsätzlich zusammen: das Aktienscreening, die Managementschule.
Engl. Namen: original Namen werden original übernommen – gross, nicht gekoppelt, ohne Genitiv-s: das/des Empire State Building. Wird ein deutsches Wort angereiht, durchkoppeln: der Empire-State-Building-Besuch. Auch hier ist die Falschschreibung – insbesondere bei Brandingspezialisten – eine beliebte Extravaganz: Man will dem Brandnamen ein optisches Alleinstellungsmerkmal verpassen und verzichtet auf Bindestriche: das Xem Konzept, Roche Geschichten.
Transkription von Namen: deutsch Es gibt keinen Grund, in einem deutschen Text englisch zu transkribieren – es heisst also Tokio, nicht Tokyo; Singapur, nicht Singapore. Eine Ausnahme bilden weltbekannte Persönlichkeiten, die öffentlich einen englisch transkribierten Namen führen – zum Beispiel Maria Sharapova (deutsch: Marija Scharapowa). Auch Namedropping läuft besser, wenn mans kann.
PS: Nominalgruppen mit Präposition wie im Deutschen offen: der/des State of the Art, ebenso Adjektiv + Nomen: der/des Smart Contracts. Zu letzteren gibts noch mehr zu sagen – Lektion 4.
Lektion 4: Adjektiv + Nomen (Short Story, Short-Squeeze und coole Shorts)
Rasch zur Erinnerung: Englische Nomen, die im Deutschen so weit verständlich sind, dass man sie nicht in Originalschreibweise übernehmen, anführen und allenfalls übersetzen muss – wie «hedgehog» (dt. Igel) –, schreibt man wie deutsche Nomen gross, die Komposita zusammen (generell mit Bindestrich – die Pool-Party –, aber ohne, wenn die Fügung voll integriert ist – Swimmingpool). Kommt ein Adjektiv dazu, unterscheidet man drei Fälle.
Der Normalfall Wird eine gut verständliche englische Fügung aus Adjektiv und Nomen übernommen, schreibt man gross und grundsätzlich offen, also ohne Bindestrich (wie im Deutschen): – die Short Story (die kurze Geschichte) – die Roaring Twenties (die wilden Zwanziger)
Bindestriche kommen ins Spiel, wenn das Adjektiv oder das Nomen mehrteilig ist: – das All-American Girl (adjektivisches Kompositum bezieht sich auf Nomen) – das American Road-Movie (Adjektiv bezieht sich auf nominales Kompositum) – der Bad-Hair-Day (Fügung Adjektiv + Nomen [Bad Hair] bestimmt ein weiteres Nomen)
Flektiert wird mit Genitiv-s und Plural-s: des/die All-American Girls
Der Spezialfall Wenn die Fügung nicht nur als Nominalgruppe mit Adjektiv aufgefasst werden kann (im Deutschen dekliniert: die kurze Geschichte – Short Story), sondern auch als Kompositum (die Kurzgeschichte – Shortstory; Akzent auf Adjektiv), kann man auch zusammenschreiben (gängige ohne Bindestrich, andere mit). – die Short Story (die kurze Geschichte) / die Shortstory (die Kurzgeschichte) – der Hard Rock (der harte Rock) / der Hardrock (der Hartrock) – der Fast Food (das schnelle Gericht) / der Fastfood (das Schnellgericht)
Manchmal ist nur die Zusammenschreibung (mit oder ohne Bindestrich) möglich: – der Short-Squeeze (der [Kauf]druck auf Short-Positionen, nicht: der kurze Druck) – der Deep-Freezer/Deepfreezer (der Tiefkühler, nicht: der tiefe Kühler) – die Long-Strategy, der/die Senior-Royal, das Online-Banking, der Live-Event – die Senior-Textchefin, das Master-Bad, die Happy-go-lucky-Attitüde, der Online-Kurs, das Live-Konzert (gut lesbare auch zusammen)
Der Klarfall Voll integrierte Adjektive mit Dudeneintrag wie cool, smart, happy werden natürlich wie deutsche Adjektive verwendet. – die coolen Shorts – das/die smarte Spac – die heavy Userin
Das wars schon.
Lektion 5: Adverbiale Fügungen (CS on edge, Cardano at its best, Gin on the rocks)
Adverbien und adverbiale Fügungen beschreiben Umstände und beziehen sich meist auf ein Verb: Das Konzert findet open air statt. Wir sind on the road. (Der) Gin (ist) on the rocks.
Generell klein Gut verständliche englische Adverbialphrasen werden auch im deutschen Text durchgehend kleingeschrieben und nicht angeführt. Im Englischen grossgeschriebene Wörter bleiben gross – zum Beispiel Geografisches.
– Sie ist on air. – Alles Swiss made. – Das ist so very British!
Das gilt übrigens auch für adverbiale Fügungen aus anderen Sprachen.
– Wir essen à la carte. – Das Öl ist extra vergine. – Spaghetti alla bolognese / all’arrabbiata / al pesto
Gross als Teil eines Nomens Ist eine adverbiale Fügung Teil eines Nomens, wird die ganze Zusammensetzung durchgekoppelt und beginnt mit Grossbuchstaben, wie es sich für ein Nomen gehört. Die Nomen innerhalb der Fügung bleiben klein – nicht wie andere englische Nomen im deutschen Text. – die On-call–Abholung – das Cradle-to-cradle-Prinzip – die Just-in-time-Produktion
Headline-Style In rein englischen Überschriften oder Werktiteln (das sind Titel von Songs, Büchern, Filmen usw.) wird nach dem Headline-Style verfahren – erstes und letztes Wort gross und auch sonst alles ausser Artikeln, einigen Konjunktionen und Präpositionen. Genaueres dazu demnächst. – April At Its Best – Swiss Made – Training on the Job
Jetzt wissen Sie schon fast alles – wie man englische Nomen behandelt, wie Adjektive und adverbiale Fügungen. Zu den Verben gibts nicht viel zu sagen, ausser dass eingedeutschte englische Verben auch deutsch flektiert werden – es heisst also downgeloadet, nicht downgeloaded. In den kommenden Lektionen geht es noch um den Headline-Style, die Anreden M, Ms und Mrs, den Apostroph und Typografisches.
PS: Zum «Onliner»-Rubriktitel «Out-of-Office»: Richtig wäre «Out of Office», es handelt sich um eine adverbiale Fügung (das ist out of office). Office wird hier gemäss Headline-Style grossgeschrieben. Bindestriche kommen nur dann zum Zug, wenn sich die Fügung mit einem Nomen zusammentut: Die Out-of-office-Message (im Englischen: the out-of-office message).